MAU MAU

Mitten im Kiez liegt das MAU MAU. Wenn in der Stadt die Lichter ausgehen, dann geht es im MAU MAU erst richtig los. Es wird gestrippt, gekuppelt und geneppt, krumme Geschäfte werden über die Bühne gebracht. Manchmal ist man sich sehr einig und manchmal fliegen die Fetzen.
Es wird gefeiert und geheult.
In dieser Welt von Gestrandeten, Gestrauchelten und Wiederauferstandenen folgt der Film den Lebenslinien von Inge und Heinz, von Rosa und Doris und von Ferdi und Ali auf ihrer Suche nach Liebe, Glück und Leben.

  • MAU MAU
  • 1991/92, 35mm, Fujicolor, 1:1,85,
    92 Min., Mono
  • Darsteller
  • Inge Garske: Marlen Diekhoff
  • Rosa: Catrin Striebeck
  • Doris: Myriam Mézières
  • Heinz: Peter Franke
  • Ferdi: Peter Gavajda
  • Kowalik: Henryk Bista
  • Ali: Emanuel Bettencourt
  • Renate: Monica Bleibtreu
  • Carmen: Pamela Knaack
  • Elke: Marion Breckwoldt
  • Roxy: András Fricsay Kali Son
  • Fritz: Rüdiger Kuhlbrodt
  • Siegfried: Veit Stübner
  • Miguel: Derval De Faria
  • Heinz′ Vater: Werner Dissel
  • Hank: Dirk Schoufs
  • Geschäftsführer: Matthias Fuchs
  • Gast im Separee: Wolfgang Schenck
  • Wirt "Johnnys": Hans Jürgen Janza
  • Ferdis Freundin: Jolanta Nowak
  • Schulte: Birol Ünel
  • Alis Neue: Bozena Baranowska
  • Autonutte: Renee Zalusky
  • Regie: Uwe Schrader
  • Drehbuch: Uwe Schrader, Daniel Dubbe
  • Kamera: Peter Gauhe BVK
  • Schnitt: Klaus Müller-Laue
  • Original-Ton: Günter Knon
  • Ausstattung: Jerome Latour-Burckhardt
  • Kostüme: Brigit Gruse-Schrader
  • Produktion: Uwe Schrader Filmproduktion/BR/SFB
  • Mau Mau - der Film

Deutscher Beitrag der 45. Internationalen Filmfestspiele Locarno 1992.Goldener Leopard
weitere Festivals:
Toronto, Montreal, London, Thessaloniki, Brüssel, San Francisco, Los Angeles, Tokio, Chicago, u.a.


Prädikat „wertvoll” FSK-Freigabe ab 16 Jahren

„Mau Mau” ist als lakonischer Milieufilm konzipiert. Ausgehend von „Kanakerbraut” und „Sierra Leone” soll er diese Kontinuität wahren und gleichzeitig deutlich darüber hinausgehen: ein Vielpersonenfilm, der bewusst darauf verzichtet, der traditionellen Erzählweise zu folgen und einen „Helden” in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen. Wenn man Filme bemühen möchte, die eine ähnliche Struktur aufweisen, so wären es „Nashville” von Robert Altman oder „Mean Streets” von Martin Scorsese. Über die Vielzahl der Personen und ihres Miteinanders, ihrer Versuche, im Lebenskampf zu bestehen, wird das Bild eines Viertels entstehen.
Ein Film um ein Stadtviertel, eine Straße, eine Bar.
Das „Mau Mau” wird von Inge geführt. Sie ist Mitte vierzig, eine im Grunde leidenschaftliche Person, die sich in der harten Welt des Bargeschäfts ihren Platz erkämpft hat. Auf der Rückseite ihrer Glitzer- und Amüsierwelt fühlt sie sich allein. Sie bewegt sich zwischen der Einsamkeit der alternden Frau, ihren Wünschen, die nie erloschen sind, und den Halbheiten des Lebens.
Die Verkörperung dieser Halbheiten ist Inges Ex- und Immer-noch-Mann Heinz. Er ist zu gutmütig, zu sorglos, um den geraden Weg zu gehen, andererseits neigt er auch zum Selbstbetrug. Heinz ist jemand, der mit der Realität nicht zurecht kommt. Inge macht Heinz heftige Vorwürfe, weil er es im Leben zu nichts gebracht hat. Ihre Vorwürfe können allerdings auch als Abwehr eines Schuldgefühls verstanden werden.
Heinz zieht jedenfalls lieber, als sich Inges Attacken anzuhören, mit seinem Freund Ferdi, einem berufsmäßigen Optimisten, echtem Bruder Leichtfuß und Geschäftemacher durchs Viertel. Rosa und Doris arbeiten bei Inge in der Bar.
Rosa glaubt, dass sie es im Leben noch schaffen kann. Sie hat Probleme mit ihrem arabischen Freund Salah Al Din, „Ali” genannt. Inge nimmt Rosa vorübergehend unter ihre Fittiche, aber auch diese Frauensolidarität ist brüchig. Sie scheitert an Rosas Lebensgier.
Für Inge ist Herr Kowalik, Spielhallenbesitzer mit religiösem Tick, Hoffnungsträger; für Ferdi ein gewisser Roxy, der es seitlich der Legalität zu was gebracht hat.
Das Zentrum der Handlung ist eine tragische unauflösliche Verstrickung, die aber lakonisch wie nebenbei erzählt wird. Heinz ist Fußballprofi gewesen und „nicht der schlechteste”. Seine Karriere hat genau in dem Moment ihr Ende gefunden, als Inge ihrem „Traumprinzen” begegnete. Heinz fing damals das Trinken an - in einem Spiel wurden ihm die Knochen kaputt getreten, und von diesem Schlag hat er sich nie wieder erholt.
Der Film spielt während der letzten Tage einer Bar, bevor endgültig alle Lichter erlöschen, vor dem Hintergrund des Niedergangs eines ganzen Viertels. Es herrscht Endzeitstimmung, aber Melancholie ist nicht angesagt, im Gegenteil. Die Personen entfalten einen beinahe physischen Optimismus. Alle sind dauernd unterwegs auf der Suche nach jenem labilen Gleichgewicht der Euphorie, das dauerhaft vielleicht nur in Träumen existiert. Die Figuren sind allesamt gefährdet, auf dem Sprung, auf „Durchreise”, ihre Situation ist provisorisch, ganz im Sinne von E.M. Cioran „Das Moderne ist das Zerrissene”. In Szenen wilder Lustigkeit wird pausenlos geredet, um die Sprachlosigkeit zu überspielen, Einsamkeit zu übertünchen, aber auch aus Bedürfnis nach Kommunikation.
Die Ökonomie des Films ist nicht in erster Linie handlungs- sondern darstellungsorientiert; ein „Schauspielerfilm” im positiven Sinne. Der Film wird sehr von seiner Machart leben, eine sehr bewegliche, radikale Kamera haben, die dicht an den Personen ist, die sich stets nach den Schauspielern richtet. Die so entstehende Dynamik der Bilder verbindet sich mit der Unruhe der Figuren und trägt dadurch auch zur Lebendigkeit und zur Unmittelbarkeit der Szenen bei; die Kamera gibt sich nie als distanzierter Beobachter, sondern nimmt hautnah am Geschehen teil. Es wird ein fast dokumentarisch wirkendes Licht geben; Originalton. Der Film wird weitgehend an Originalschauplätzen gedreht werden. Die Hauptrollen sollen mit Schauspielern, die kleineren Rollen mit Laien besetzt werden.
Der Film folgt einer episodischen, offenen Form, die jedoch keineswegs beliebig ist, sondern ihren dramaturgischen Zusammenhalt hat. Die Handlung verbirgt sich hinter dem, was im Vordergrund als Leben abläuft. Sie drängt sich nicht vor wie in einem action-Film, deren Teile auf ein Ergebnis hin funktionalisiert sind. Es wird bewusst auf eine sozialkritische Beweisästhetik verzichtet zugunsten eines lakonischen Kino-Stils, der zeigt ohne zu werten.
(Auszug aus dem Drehbuch-Vorwort von Daniel Dubbe, Silvia Koller und Uwe Schrader)